Der Verfolger – Berlin – Tag der Deutschen Einfalt

Tach,

Ich erinnere mich noch gut an den ersten Tag der deutschen Einfalt.

Raoul und Fionn waren bei mir. Am morgen sollte ich mit pool und den Deutsche Filmorchester Babelsberg nach Los Angeles fliegen.
Aber wir wollten uns das Feuerwerk am Brandenburger Tor ansehen. Die Kinder, drei Jahre alt, waren noch nie in der Nacht unten, auf der Straße gewesen. Also habe ich mit ihnen „geübt“. Zwei Tage vorher sind wir nachts um 23.00 Uhr runtergegangen, rüber ins Estoril und dann noch ins Café Dreiklang, in dem ich damals dreimal die Woche arbeitete. Beides Kneipen / Cafés, die sie kannten. Aber an ihre großen Augen kann ich mich noch gut erinnern und die Fragen, warum nachts so viele Leute auf der Straße sind. Saft und ein Würstchen für jeden. Dann sind wir wieder hoch.

Dann kam der Tag. Wir sind früh schlafen gegangen und nachts raus, um 22.00 sind wir los. Zur Hauptstraße. In den 48ziger (damals hatten die BVG Busse noch richtige Namen). Der fuhr nicht bis zur Philharmonie wie sonst, es waren Masse Mensch unterwegs, alles verstopft, ich glaube, Kurfürstenstraße war Ende? Kann auch sein, kurz vor dem Landwehrkanal. Jedenfalls mußten wir, und vor allem die kurzen Beine der Jungs, ein gutes Stück laufen. Je weiter wir kamen, desto voller wurde es. Jeder hatte es eilig, die „Anreise“ hatte für alle zu lange gedauert, keiner wollte den Anfang des Feuerwerks verpassen. An der Philharmonie war es schon sehr voll. Ich dachte, wenn wir uns da jetzt rein quetschen, bleiben wir irgendwo im Tiergarten hängen und wenn die Masse zurück will … Also blieben wir neben einem Taxi stehen, das quer stand, der Fahrer wollte auch das Feuerwerk sehen. Ich durfte die Kinder auf die Motorhaube stellen, damit sie überhaupt etwas sahen. Reden haben wir keine gehört, Musik weht ab und zu über den Tiergarten zu uns herüber. Nach dem Feuerwerk war der Taxifahrer so nett und nahm uns bis zur Hauptstraße mit. Das war toll, denn alle waren schon sehr müde.

Zu Hause wartete meine Mutter. Denn ich sollte morgens um sechs nach Los Angeles fliegen. Und wohin mit den Kindern? Ihre Mutter sollte sie morgens abholen. Ich konnte sie nicht allein lassen. Es war zwei Uhr. Ich war müde und hatte Angst zu schlafen zu gehen und zu verschlafen. Außerdem wie immer, der Koffer mußte gepackt werden? Nein, Pußtekuchen, da wir mit dem Orchester flogen, war alles Gepäck Spezialgepäck, ich hatte meinen, extra für den Flug gekauften Koffer, schon zwei Tage vorher abgegeben. Ich habe mich dann in eine kalte Badewanne gelegt um wach zu blieben. In L. A. Angekommen, kamen wir dann gleich auf einem Empfang des deutschen Konsuls. So wie es in amerikanischen Filmen immer ist. Herr und Frau Konsul stehen am Eingang und schütteln jedem Gast die Hand. Fehlt nur noch einer, der die Namen aufruft. Geschlafen hatte ich auf dem Flug ganz gut, die Maschine war leer und mann konnte sich querlegen, aber ich hatte Hunger, und nun so ein Häppchen Buffet! Du kannst Dir den Teller nicht voll knallen, weil das alle sehen, peinlich, und wenn Du zehnmal hinläufst, sehen das auch alle, auch peinlich. Von dort bin ich hungrig wieder weg.

Der eigentliche Anlaß der Reise war ein Konzert. Haberkuck Traber hatte die Filmmusik zu Metropolis vervollständigt. Die galt als verschollen. Ein Stummfilm, aber zu seiner Premiere im Ufa-Palast am Zoo in Berlin am 10. Januar 1927 hat damals ein Orchester die Film-Musik gespielt. Dann wurde sie nicht mehr aufgeführt. In einem Saal der Universität von Los Angeles spielte das Orchester zum Film. Es war also das weltweit zweite Mal erst, daß diese Musik mit aufgeführt wurde. Das erste Mal in ihrer restaurierten Fassung. Vorher hielt Diepgen, damals Regierender Bürgermeister von Berlin, noch eine Rede.

So habe ich also den ersten Nationalfeiertag (dürfen wir das überhaupt sagen?) zwölf Stunden länger gefeiert als die „normalen“ Deutschen.

Morjens


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