Odessa I – Die Banja No. 4 in Odessa
Tach,
Aus meinem ersten Text über die Banja No. 4:
„Heute, Ende Februar 2015, nun also zur Banja No. 4, die älteste Banja Odessas von 1861, Lilija hatte sie für mich beim Spazierengehen im Sommer 2014 entdeckt. Ich sollte damals gleich rein. Heute war es brechend voll, als ich da war, im Umkleideraum ist es scheiß eng, an so was wie Thee trinken und lesen ist gar nicht zu denken. Super Muffelkopp an der Kasse, dem passte gar nichts. 60 Griwna (2 €) für den ganzen Tag, in Petersburg bezahle ich für zwei Stunden 180 Rubel (z. Z. 4,50 €). Auf meine Frage nach Weniki kam als Antwort: Dengi! Gott ja, Geld. Habe ich gesagt, ich will sie geschenkt haben. 20 Griwna. Eigentlich 30, keine Ahnung, warum ich Rabatt bekommen habe. Aber der Hammer, zum Schluß, als ich ging, hat er mir die Hand zum Abschied gereicht!! So sind sie.“
Das habe ich im Februar geschrieben, als ich das erste und einzige Mal im Frühjahr dort war. Nun weiß ich von meinen Banja-Besuchen in St. Petersburg, daß die Banja im Sommer leer ist. Die Menschen sind auf dem anderen ur-russischen Ding: der Datscha. – Komme niemand auf die Idee Datscha mit Laubenpieper, Kleingarten etc. zu übersetzten. Das ist es nicht. Nun Geduld, dazu kommt bestimmt noch mehr als ein Text. – Ich bin also in die Banja. Und tatsächlich, es war leer, zehn Menschen. Aber 80 Griwna Eintritt, und 60 für den Wenik, die Preise sind gewaltig gestiegen. Ich kann als Westler sagen, ist doch immer noch billig, 5.60 €. Das mache ich aber nicht, ich vergleiche sie mit den anderen Preisen, die hier gelten, und das die Weniki in fünf Monaten 50 % teuerer geworden sind, na hallo. Ich kaufe auf dem Markt auch nicht ein, ohne auf die Preise zu achten, was mir an dem einen Stand zu teuer erscheint, kaufe ich woanders. Nun, die Banja war auch bei meinem zweiten Besuch noch relativ leer. Aber im Oktober, bei meinem dritten Besuch schon deutlich voller. Die Menschen kehren von den Datschen in die Stadt zurück. Aber noch bekomme ich keine Platzangst.
Inzwischen bin ich hinter die Geheimnisse gekommen, die sich hier verstecken. Die Tür links, dort ist der Heizraum. Die Tür geradeaus, dort kommt mann direkt in den Waschraum. Die Tür rechts, dort wird alles für die Weniki gelagert. Davor ist der Arbeitstisch, sieh Photos weiter unten.
Wie mann auf den Photos sieht, mann muß außen die Treppe hoch, dort ist der Umkleideraum und das Klo, und innen führt eine Treppe zum Waschraum wieder runter. Der Raum unten ist sehr groß, es gibt viele Duschen, die, wie überall, kaum funktionieren, deswegen stehen die Männer an den guten Schlange. Die andern tröpfeln nur bzw. lassen sich nicht richtig mischen. Alles ist gekachelt, sogar die Decke ist gefliest.
Der eigentliche Banjaraum ist weiß, ganz flach, fast hätte ich die Decke berühren können. Es gibt keine Bänke, sondern auf der einen Seite ein paar Stufen, auf die mann sich hocken kann. In ein Meter 50 Höhe an der Wand lang ist der Stein mit Holzleisten bedeckt, sodaß mann dort liegen und auch bearbeitet werden kann. Viele stehen, ich auch, ich stütze nur die Beine auf, wenn ich mich mit dem Wenik bearbeite, um besser an die Waden und den Hintern zu kommen.
Die Mine
Das Interessante an dieser Banja sind aber zwei Unterschiede zu den allen anderen Banjas, in denen ich bisher war. Es werden nicht Steine beheizt sondern „Die Mine“. So nennen das die Banschtschiki liebevoll. Das ist eine halbe Kugel, die über dem Feuer ist, dort wo sonst die Steine liegen, sie wird auch von unten beheizt. Die Mine ist aus Gusseisen. Sie sieht schon ein bißchen wie eine uralte Landmine aus, wie ein Ritterhelm … Die Mine wird also erhitzt. Und da ist der nächste Unterschied, weder mit Holz noch mit Gas, sondern mit Masut (der Duden sagt: Masut: hochsiedender Destillationsrückstand des Erdöls sowie Produkt der Hochtemperaturpyrolyse, das für Heizöl oder als Schmiermittel verwendet wird). Also Hölle heiß. Dadurch, daß den ganzen Tag nachgefeuert werden kann, ist die Banja auch immer sehr heiß, während in der traditionellen Banja abends die Temperatur abnimmt. Ich durfte einen Blick in den Heizraum werfen, aber ich hatte nur das Mobiltelephon mit, immerhin zwei Photos. Die alten Minen werden in Ehren gehalten. Sie liegen auf dem Hof. Sie haben den Banschtschiki lange Jahre gedient, es wäre respektlos sie in den Schrott zu geben. Ich habe die beiden alten auf dem Hof photographiert.
Die Weniki
Die Weniki sind mit das Wichtigste für den Banjagang. Ein richtiger Banschtschik macht sich auf der Datscha seine Weniki selbst. Ich habe das mal versucht, rein in den Wald, Äste gesucht und dann versucht sie zu binden. Ziemlicher Reinfall, wenn mann keinen Papa oder Opa hatte, der einem in die Geheimnisse des Wenikiwickelns eingeweiht hat, ist sehr schwierig, wie bei all solchen Dingen. Es fängt schon mit dem richtigen Zeitpunkt des Schneidens an, – um Pfingsten – dann, wenn die Blätter frischen, vollen Saft haben. Wie soll das mit mir gehen? Da bin ich meist in Berlin. Natürlich sollen die Bäume, die mann beschneidet, auch nicht direkt neben der Straße stehen. Also kaufe ich die Dinger. Alle Banjas haben welche. Aber voller Erstaunen und Freude habe ich gesehen, daß in Banja No. 4 Weniki selbst gemacht werden, aus Eiche, meinen Lieblingsblättern. In dem Raum neben der Treppe rechts werden sie gelagert, sie hängen an Seilen, die durch den ganzen Raum gezogen sind. Vor dem Raum auf dem Hof ist der Arbeitstisch. Unter dramatischen Umständen ist es mir gelungen, ein paar Photos davon zu machen.
Weiter aus dem Februar Text:
„Draußen hatte ich dann einen Opa, der mich fragte, wo ich herkam. Ich sollte auf Russisch lernen: Wo waren Sie stationiert? Denn das war wieder ein Kamerad.
Und hier ein Trick, der neben mir praktiziert wurde: Ein älterer Herr mit so schlohweißen Haaren, daß ich erst dachte, er hat sie voll mit Shampoo, und sein ca. vierzigjähriger Sohn. Papa liegt auf dem Bauch und der Sohn legt ein Nylonnetz von den Schultern über den Rücken bis zu den Füßen. Dann verteilt er ein Duschgel über den Körper und fängt an, den Mann zu waschen und durch das Netz gleichzeitig zu massieren. Kannte ich noch gar nicht.
Weil es oben so voll war, bin ich die ganze Zeit im Waschraum geblieben, dort gibt es auch Liegen, mancher schlummerte vor sich hin. Ich hatte drei Durchgänge.“
Innenansichten des Umkleideraums mit Kasse. Dort hängt ein Schild. „Bezahl und gehe in die Banja“, die brave Übersetzung. Aber das ist ein Wortspiel. „Geh‘ in die Banja“ bedeutet „Hau ab“, da steht also: „Bezahl und verpiss Dich.“
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Im Oktober war ich dann das vierte Mal in dieser Banja und habe wieder etwas neues gesehen, nein, eigentlich habe ich es gerochen. Ein Mann rieb einen andern mit einem braunen Pulver ein. Ich habe mir und meiner Nase aber selbst nicht geglaubt. Und gefragt: Was ist das, mit dem sie ihren Freund massieren? Kaffeepulver. Tja, er ist dann ebenfalls damit eingerieben worden, und so sind beide „Neger“ in die Banja gegangen. Und danach unter die Dusche. (Frauen machen das oft in der Banja habe ich nun erfahren, Kaffeereste sind nicht nur gute Düngemittel, sondern auch ein Superersatz für Hautpeeling, wieder was gelernt.)
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Für leibliches Wohl wird auch gesorgt, die Kantine der Banja. – Thomas, zufrieden, erholt auf dem Rückweg, trinkt in der „Kantine“ der Banja einen Hagebuttenthee.
Glück hatte ich bei meinem dritten Besuch. Als ich kam, wurde gerade die Banja geputzt. Von den Weniki fallen beim Klatschen auf den Körper Blätter ab, irgendwann ist der ganze Boden bedeckt, dann wird ausgefegt. Aber für uns Banschtschiki ist das eigentlich Spannende, der ganze Raum wird mit Wasser gesprengt und die Tür steht die ganze Zeit offen.
Das hat zwei Auswirkungen:
Durch die offene Tür kommt frische Luft rein, und tauscht sich mit der alten Luft aus. Die alte Luft ist verbraucht. Luft, die einmal erhitzt war, erhitzt nicht nochmal. (Zum Entsetzen der Saunagänger mache ich das auch in einer deutschen Sauna, stelle mich an die Tür und wedle mit der Tür 5 Minuten frische Luft rein, alle meckern, aber danach gibt es wunderbar frische warme Luft und jeder ist zufrieden.)
Das ganze Holz wird beim Putzen abgespritzt. Durch das Sprengen mit Wasser steigt die Luftfeuchtigkeit, mehr Wasser läßt sich auf dem Körper nieder und mann wird richtig schön durchgegart, weil das Wasser auf der Haut früher als der Körper erhitzt. Wunderbar. Auch in den andern Banjas wird das gemacht. (Das mache ich in der deutschen Sauna so: Ich nehme ein Handtuch, mache es klatschnass, dann stelle ich mich in die Mitte der Sauna und schwenke das Handtuch über meinem Kopf, ich „beregne“ die Bänke und Wände, dadurch wird das heiße Holz nass und wieder steigt die Temperatur. Das geht natürlich nur, wenn keiner drin ist. Ist jemand drin, hänge ich das Handtuch in der Nähe der Hitzequelle auf, in der Hoffnung, daß während ich in der Sauna bin, möglichst viel verdampft.)
Photos vom Sommer 2014: Wohl Lilijas neuer Freund, gleich ein Photo mit freiem Oberkörper
Der Innenhof in Richtung Ausgang.
Morjens
Ursprünglich war der Text länger und hatte auch einen mehr allgemeinen Teil, um den Text zu kürzen habe ich also die Geschichte über die Banja No 4 rausgenommen. In der Zwischenzeit haben sich einige Quellen aufgetan, wie schon geschrieben, steht in St. Petersburg noch die Banja, in der Dostojewski, Schaliapin und Lenin waren. Die Banja, in die ich normalerweise gehe, war die einzige Banja, die während der Belagerung offen war. Und die Puschkin-Banja, die erste Banja, in der ich war, ist wieder eröffnet worden. Ich werde also diese Banjas besuchen und über sie, über die Geschichte der Banja im Allgemeinen schreiben. Geduld. Das Stichwort dazu ist „Banja“ unter den Kategorien.
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