Odessa II – Mord in Banja Nr. 4
Der Ort des Geschehens – Eingang zur Banja Nr. 4
Tach,
Auf dem Hof der Banja Nr. 4 ist an der Wand eine Tafel angebracht. Mit einem Kreuz darüber. Ich habe mir nichts dabei gedacht, als ich sie das erste Mal sah bzw. das wird ein Kirchen-Mensch gewesen sein, den die Kommunisten umgebracht haben, und dem wird hier gedacht. Er wird hier wohl gewohnt haben. Tja, so kann mann sich irren…
Die Tafel gilt Viktor Kulivar, bekannt als Karabas, er war Mafia-Boss von Odessa. Er hatte alles und jeden unter Kontrolle. Seine Rolle in Odessa ließ die Geschichten von Issac Babel von vor 1917 wieder wach werden, in denen Babel über den sagenumwobenen jüdischen Gangsterkönig Benya Krik schreibt. Wie Krik soll Karabas armen Bittstellern geholfen haben. (Was aber nun über jeden „guten“ Mafia-Boss erzählt wird.) Er ist hier in die Banja gegangen oder wie die Russen auch sagen „parit’sa“, das heißt soviel wie „dampfen oder im Bad schwitzen“. Das Wort wird oft statt „in die Banja gehen“ verwendet. Jeden Montag ist er eine Stunde in die Banja Nr. 4 gegangen, von 6 – 7 Uhr. Diese Gewohnheit wurde ihm zum Verhängnis, er ist hier erschossen worden. Der Mörder brauchte nur auf ihn warten. Am 21. April 1997 hat der Mörder angeblich 20 Schüsse auf ihn abgegeben. So ist die eine Geschichte.
Die andere Geschichte geht so:
Als Kind hat Karabas in Kujbyschev Straße gelebt. Sein Vater war beim Militär und starb, als Viktor noch Kind war. Seine Mutter ging putzen, aber es reichte nicht für die Tochter, den Sohn und sie. Karabas hat mit kleinen Diebstählen angefangen, um die Familie zu unterstützen. Er kam in Kontakt mit den „alten Gangstern“ und lernte schnell. Zur Zeit der neunten Klasse saß er das erste mal im Gefängnis. Wieder draußen, sammelte er eine Gruppe von „Lomschtschik» (Trickbetrüger) um sich. Anfang der neunziger Jahre wurden er und seine Leute Racketeere. Sie sammelten Schutzgeld ein. Sie forderten 5-10 % des Umsatz der Geschäfte. Dabei soll er ehrlich gewesen sein und auch bei Streiten vermittelt haben. Der nächste Schritt war das Ölgeschäft. Hier stieg er angeblich mit Untersützung staatlicher Stellen ein und konnte nun sein Geld waschen. Dabei kam er anderen Gangstern in die Quere. Zwei, Seryj und Sliva, denen er vertraute, wollten ihn beseitigen lassen. Ein aus Kiew angeheuerter Killer wurde von der Miliz erwischt. Darauf verabredete sich Seryj mit Karabas in der Banja Nr. 4. Als Karabas kam, wurde er im Hof der Banja erschossen.
Der Direktor der Banja hat den Karabas noch lebend gefunden und erzählt:
„Er hatte noch seine Autoschlüssel in der Hand. Die Miliz kam, sie sagten noch: «Vitja, Vitja, man hat dich doch gewarnt…».
Die Miliz hat ihn sehr verehrt. Es war ja auch öfters so, daß die Banditen und Milizionäre zusammen in der Banja waren, ihre Waffen haben sie dann quasi zusammen in der Garderobe abgegeben: «Und wem gehört was?» — «Wir wissen schon, wem was gehört!». Ich hatte damals ja auch Waffen dabei, es waren halt solche Zeiten…“
Die Tafel ist also zu seiner Erinnerung von seinen Leuten dort angebracht worden.
Jetzt wißt Ihr, in welche Banja ich gehe, mit welchen Leuten ich mich umgebe. Aber eins ist gewiss, morgens um 6 werdet ihr mich dort nicht treffen.
Morjens
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