Weg is’se

Tach,

Gerade räume ich Photos auf, und dabei habe ich diese wiedergefunden. Ein längst angedachter kleiner Text.
Unser Leben ist immer sehr abrupt. Plötzlich bin ich in Petersburg oder Lilija in Berlin. Dann fahren wir in der Gegend rum, nach Triest oder Wologda, nach Bautzen oder in den Spreewald. Davon schreibe ich dann. Oder sie kommt, wie das letzte Mal, nur für drei vier Tage, weil eine original Unterschrift erforderlich ist… Ämterkram.

Beim ersten sind wir zwei, drei Wochen zusammen und bei andern Gelegenheiten, wie den Weihnachtsmarktbesuchen eben, nur ein paar Tage. Egal wie, das ist immer von-Null-auf-Hundert in null Sekunden. Plopp zusammen und ohne Pause dann 24 Stunden lang, jeden dieser Tage. Wenigstens sind die Wohnungen in Berlin und Petersburg groß genug um Luft zu haben. Aber das denkt mann nur in dieser Situation, manchmal. Hinterher nicht. In den Ferienwohnungen ist es enger, dann geht Lilija ab und zu allein spazieren und macht Photos, ich habe dann Zeit schnell einen kleinen Text zu schreiben, das kann ich besser wenn ich alleine bin, oder einer sitzt im Zimmer und der andere in der Küche. Aber das wiederum geht eben auch nicht immer, das große Problem mit Hotels oder Ferienwohnungen sind die fehlenden Stühle und Tische. Die Einrichtungen sind aus der Vor-Sozialen-Media-Zeit. Da saß mann im Sessel (einen Sessel gibt es wirklich fast immer) und las ein Buch und nicht am Tisch vor dem Notebook. Oder der einzige Tisch ist so schmal, daß nur der Fernseher und ein Wasserglas darauf Platz hat. Das habe ich oft auch alleine, bei meinen Hin-und-Herfahrten zwischen Deutschland und Russland. Aber jetzt schweife ich ab.
Es geht von Null auf Hundert. Wir sind dann eng zusammen.

Lilija auf dem Baumkronenpfad in Beelitz

Aber es ist eben von Hundert auf Null auch in null Sekunden. Mann kann sich nicht darauf einstellen. Auf dem Weg zum Flughafen sitzen wir nebeneinander im Auto. Dann verschwindet sie mit einem Winken hinter dem Schalter. Ist null, und die Fahrt zurück, da ist schon ein Loch, da beginnt schon das Alleine sein wieder. Plötzlich ist alles leer. Es ist immer früh morgens und ich sitze dann auf dem Rückweg allein bei irgendeinem Bäcker und frühstücke und mir gegenüber ist der Platz leer. In der Wohnung angekommen ist noch an dem ein oder anderen merken das sie da war. Irgendetwas steht an einem „falschen“ Platz. Der Abwasch wartet auch auf mich. Alles wie immer, aber eben noch war sie da. Niemand bringt mir einen Kaffee oder macht mal eine Stulle, schält die Granatäpfel. Sie, die diese gewohnte Einsamkeit wie immer unterbricht, ist weg. Von Null auf Hundert, von Hundert auf Null. Die Wohnung ist leer, keiner fragt mich was, treibt mich an, oder holt heimlich Brötchen, morgens, während ich noch schlafe. Oder drängelt, weil sie Caffe will. Wenn ich allein zurück komme in die Wohnung, lasse ich manches noch rumstehen, so wie die gelben Schuhchen, das Geschirr wird natürlich abgewaschen, aber das Bettzeug bleibt, damit schlafe ich dann.
Jetzt habe ich alles Gelbe gewaschen und für sie bereitgelegt, denn in drei Tagen ist wieder von-Null-auf-Hundert. Jetzt muß wieder der Lieblingskäse und die Lieblingssalami gekauft werden, Wein und dies und das. Diesmal fahren wir vierzehn Tage nach Greifswald zu einer Konferenz, wieder eine Ferienwohnung. Deswegen wird der alljährliche Weihnachtsmarktbesuch ausfallen. Ich wollte diese Jahr nach Schwerin fahren. Nu, alleine nicht, das ist ja dann noch leerer.

Morjens

Tagliatelle mit Scampi bei Centro Italiano bei unserm letzten Besuch für Lilija.

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